Samstag, 2. Februar 2008

baumschnitt mit unbekanntem

kleine städte, wie die, an deren rand die villa hildegard liegt, haben große vorteile, die natürlich auch gleichzeitig ihre nachteile sind, je nachdem. wenn man zum beispiel mehrere obstbäume hat, die seit jahren nicht mehr geschnitten wurden, dann erzählt man einfach davon. der freundin beim wein, dem freund in seiner werkstatt, dem bauleiter beim bauleiterfrühstück, der angestellten der freundin im blumenladen...

es gibt zwei methoden: entweder man fragt direkt, wozu ich offengesagt eine große neigung habe. man erzielt gute ergebnisse damit, aber es bringt nicht so viel spaß. kleinstadtadäquater (nein, nicht kleinstadtäquator!) ist es aber, ein bißchen um den brei herumzureden. das geht so:

auf die frage, wie es denn mit der villa hildegard vorangeht, sagt man: gut, sehr gut, sehr schön! dann macht man eine pause. warten, noch ein bißchen warten. dann seufzt man. nicht zu stark, man hat ja keine existentiellen probleme! nur so ein bißchen: ach, naja. die bäume. jetzt wieder warten. unbedingt eine nachfrage abwarten! was sei denn mit den bäumen?

naja, nichts eigentlich, schöne alte obstbäume eben, alt vor allem, aber wirklich schön, liebenswert, voller erinnerungen an kindheitstage, die man in der hängematte unter diesen bäumen zugebracht habe. pause machen. das gegenüber muß unbedingt gelegenheit bekommen, eine ähnliche geschichte zu erzählen, sich zu erinnern, zu schwelgen, eben einen kleinen schwatz halten zu können. weiter warten!

zurückgekehrt aus der erinnerung wird der kleinstadtbewohner, der dazu neigt, alles, was sich in seiner stadt abspielt auch für seine ureigenste sache zu halten, sagen: aber, naja, müßten die bäume denn nicht mal beschnitten werden? vorsicht! jetzt nicht aus der deckung kommen, schön den ball flach halten und in etwa so erwidern: ja, vielleicht, schon, könnte sein, wo du das jetzt sagst, habe ich auch schon mal gedacht, aber ich weiß ja nicht so viel über bäume, naja, geschnitten werden müssen sie wohl schon, oder?

und da ist er, der moment, wo das gegenüber zu hochform aufläuft, sein bestes und einfachstes gibt und dir die vorteile kleiner städte unter die nase reibt. in unserem konkreten fall sagte der bautischlerfreund, er würde mal seine mutter fragen, die kenne da einen alten gärtner, der in den örtlichen parks auch immer und schon seit jahrzehnten die obstbäume schneidet. er könne sich erinnern, daß seine mutter erzählt hätte, dieser mann würde das auch für andere leute machen gegen kleines geld.

so läuft das hier. ein großstadtbewohner hätte einem geraten, online die nächste baumschule zu suchen und dort zu fragen, ob sie denn auch alte bäume schneiden. fertig.

und wie steht es nun mit unseren bäumen? also: die mutter vom freund hat den mann gefragt, der hat gesagt, er macht es, würde sich beim freund melden, damit man zusammen mal in den garten fahren kann, um zu gucken. nach erfolgter diagnose würde der mann - und das sei eine unveränderliche bedingung! - dann auf den seiner meinung nach perfekten wintertag für den baumschnitt warten und dann zuschlagen. äh, schneiden.

das bedeutet mehreres: meine bäume werden vielleicht dieses jahr nicht mehr geschnitten, weil es bis jetzt ja schon keinen einzigen ordentlich kalten wintertag gab und vielleicht auch nicht mehr gibt. falls doch, kann ich nicht so schnell wie der mann vor ort sein, denn ich muß dafür 265 kilometer fahren. meine bäume werden also beschnitten, ohne daß ich dabei bin. meine bäume werden von einem mann beschnitten, den ich nicht kenne, dessen namen ich nicht weiß und den ich vielleicht nie zu gesicht bekommen werde, weil selbst die geldübergabe über die mutter des freundes laufen könnte. meine bäume könnten nach dem beschneiden aussehen wie amputierte rentner oder wie alte hippies, die sich endlich die haare geschnitten haben und jetzt auch wieder von jungen dingern angelächelt werden.

no risk, no fun. ohne vertrauen geht in kleinstädten gar nichts.

3 Kommentare:

Nomadin hat gesagt…

Oh! Bei dir möchte ich gerne in die Lehre gehen... Kleingartenmanieren bräuchte ich auch. Dringend!

Es macht Spaß, hier zu lesen - danke für die kurzweiligen Momente!

Herzliche Grüße,
Franziska

freitagsfish hat gesagt…

man muß die leute immer positiv abholen und sie sich einbringen lassen. sie müssen sich wichtig fühlen! und das meine ich nicht als manipulation, das muß schon von herzen kommen, sonst merken sie's schnell.

schön, daß es dir hier gefällt!

Nomadin hat gesagt…

Ja, das deckt sich mit meiner Erfahrung. Nur fehlt mir gelegentlich die Gabe oder Geduld für's entspannte Nebeneinander, das merke ich hier als "Zugereiste" in meiner neuen Umgebung ganz besonders.

Wir lesen uns sicher wieder :-)